Schon in seiner ersten Amtszeit hat sich US-Präsident Donald Trump durch – sagen wir – unorthodoxe Ideen weltweit Gehör verschafft. In seiner bisher drei Wochen dauernden zweiten Amtszeit ist er für die USA angeblich zentrale geostrategische Fragen polternd angegangen. Bisher: Grönland, Panama und jetzt der Gaza-Streifen. Unterstellt werden von Politikern und Medien – sicher nicht ganz zu Unrecht – politische und wirtschaftliche Gründe; kostenfreie Fahrt für US-Schiffe durch den Panamakanal, seltene Erden und Kontrolle über die nördlichen Schifffahrtsrouten, denen immer größere Bedeutung zukommt.
Jetzt Gaza. Auch hier trifft wohl politisches Kalkül auf handfeste wirtschaftliche Interessen „der Trumps“ und den USA. Aufbau des Gaza-Streifens unter US-Leitung zu einer Riviera der Levante – ehedem war dies eine Bezeichnung des Libanon. Eine weitere gesicherte (Militär-)Präsens in Nahost. Doch besteht die Gefahr, dass dort ein zweiter Libanon entsteht. Ein Territorium mit unklaren politischen Strukturen, Einfluss von Terroristen im Parlament, Zankapfel der Regionalmächte sowie Export der Gewalt in andere Mittelmeerregionen und darüber hinaus. Kurzum: ein klassischer Failed State.
Donald Trumps Plan für Gaza: Umsiedelung der Bewohner, Wiederaufbau und prosperierende Entwicklung unter der direkten Kontrolle der USA: Die USA müssten die Kontrolle über den Gazastreifen erlangen, „Wir werden den Gazastreifen in Besitz nehmen.“ Bei seinem Plan spielt die Bevölkerung Gazas keine Rolle, darüber hinaus weder die aus der Verbringung dieser Menschen in andere Staaten noch das internationale Recht. Eine weitere Krise in Nahost, den Golf und Maghrebstaaten droht sich anzubahnen. Weitere Ausgrenzung Israels in internationalen Gremien und durch andere Staaten werden darüber hinaus wohl nicht ausbleiben. Dieser Positionierung im Gazakrieg könnte einen Vorgeschmack auf die nahe Zukunft bekommen.
Sicherlich ist Trumps Vorstoß eine sicherheitspolitische Option für Israel; kurzfristig. Kommentatoren in Medien von liberalen bis rechtsnational äußern sich überwiegend positiv zu den Möglichkeiten einer solchen US-Politik. Stimmen, die ob des Massakers vom 7. Oktober 2023, den Geiselnahmen und den Austausch der Geisel mit schwerkriminellen Palästinenser durchaus ihre Berechtigung finden. Der Wunsch nach einem friedlichen Israel ist allenthalben vorhanden. Die Furcht vor einem erneuten Angriff der Hamas oder anderen menschenverachtenden islamistischen Terroristen ist jedoch allgegenwärtig. Bereits einen Tag nach Trumps Pressekonferenz mit Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu weist Verteidigungsminister Israel Katz die IDF an, die freiwillige Ausreise von Palästinenser vorzubereiten; während der Verhandlungen mit der terroristischen Hamas über die zweite Runde der Waffenruhe.
Wird Trumps Idee zu einer Befriedung der Region führen? Können israelische Staatsbürger sicherer in ihrem eigenen Land leben? Ist mit einem Rückgang des Antisemitismus außerhalb Israels zu rechnen? Wird die vielmals sichtbare Ausgrenzung Israels und der Doppelstandard gegenüber dem jüdischen Staat auf dem internationalen Parkett – bis hin zu den Vereinten Nationen – dadurch reduziert oder gar aufgehoben werden können? Kurzum: Ist der Vorschlag geeignet, den Antisemitismus unterschiedlicher Ausprägung im Nahen Osten, der arabischen Welt, der sogenannten Dritten Welt und nicht zuletzt in der westlichen Welt auszulöschen und bringt er mehr Sicherheit für Israel? Mit Nichten.
Die direkten Anliegerstaaten Israels, Ägypten, Jordanien, Syrien – ohne klare Perspektive für die Zukunft, jedoch mit einer (ehemals) IS-geprägten Regierung – und der noch immer dem Einfluss der Hisbollah ausgesetzte Libanon, arrangieren sich in einem labilen Gleichgewicht mit der erheblichen Zahl palästinensischer Flüchtlinge in der ersten bis vierten Generation. Deren rein zahlenmäßiges Gewicht auf die Politik, sowohl im Inneren als nach außen, wird in Jordanien nur durch ein geschicktes Austarieren der Regierung und des Königshauses ermöglicht. Ein Zuwachs an Palästinensern, wie von Trump angedacht, würde zumindest eine innenpolitische Krise auslösen. Die Forderung nach Abbruch der Beziehungen zu Israel bis hin zur Forderung nach Absetzung des Monarchen ist dann eine ernstzunehmende Gefahr, aber keineswegs eine unrealistische. Schon während des Gaza-Krieges musste Abdullah II sich gegen Forderungen wehren, die Beziehungen zu Israel zumindest einzufrieren. Die jordanische Unterstützung gegen den Angriff des Iran an der Seite Israels und den USA hat die Gefahr für Israel minimieren können.
In Ägypten ist die Gefahr für das System und die innenpolitische Situation nicht zu unterschätzen. Die weiland gewählte Regierung unter Führung der Muslimbruderschaft hat zu immensen innenpolitischen Verwerfungen geführt, die den sogenannten arabischen Frühling beendet haben; Folge ein autoritäres System im Stile der Mubarak-Regierung. Auch weiterhin dürfen die Muslimbrüder, die über eine breite Unterstützung in der Gesellschaft verfügen, nicht unterschätzt werden. Nicht eingegangen werden kann auf die Folgen für Libyen. Wie würde sich der östliche Landesteil entwickeln, wenn palästinensische Unruhen in Ägypten ausbrächen? De facto Machhaber General Khalifa Haftar baut dort mit Unterstützung Ägyptens seine Macht aus.
Eine weitere Idee Trumps nach dem Widerspruch der beiden Länder zur Aufnahme von Gaza-Palästinensern, ist ein Aufnahmeland im Maghreb. Marokko biete sich seiner Meinung nach als Aufnahmestaat an. Mohammed VI hat die innenpolitische Lage während des gesamten Gaza-Krieges weitestgehend unter Kontrolle gehabt. Die Unterstützung für die Palästinenser und deren Maximalforderung From the River to the Sea war dort weniger oft und lautstark zu vernehmen als in vielen europäischen Staaten. Was die Beziehung zu Israel anbelangt, so fußt das Abkommen mit Jerusalem auf Israels Anerkennung des Anspruchs Marokkos auf Westsahara.
Alle drei Staaten zeichnen sich durch Friedensverträge und Abkommen mit Israel aus. Sie wurden durchaus im Widerspruch zur Mehrheit der Bevölkerung unterzeichnet und werden noch heute kontinuierlich in Frage gestellt. Seitens der USA wird Druck auf die Staaten ausgeübt, die Forderung Trumps umzusetzen und Palästinenser aufzunehmen. Jordanien ist auf die militärische Unterstützung der USA angewiesen, Ägypten dient als wichtiger Stützpunkt der Nordamerikaner und ist nach Israel der zweitgrößte Empfänger US-amerikanischer Hilfen. Marokkos Achillesferse ist die Besetzung der Westsahara, die 2020 von den USA anerkannt wurde und wieder zur Disposition gestellt werden könnte.
Die Positionen der Golfstaaten ist bekannt. Keine Abschiebung der Gaza-Palästinenser, keine Besatzung des Küstenstreifens durch US-Militär, andernfalls das Einfrieren der Normalisierung zu Israel. Auch hier keine weitere Sicherheit für Israel. Der Krieg in Gaza und gegen die Hisbollah hat gezeigt, dass auch Jerusalem an seine militärischen Grenzen stoßen kann. Eine Intensivierung der militärischen Unterstützung Israels durch die USA ist damit zwangsläufig. Eine asymmetrische Kriegssituation gegen verbohrte religiös und national geprägte Extremisten, die dem Mythos des Märtyrertums folgen ist auch für gut ausgebildete Militärs eine schier nicht zu meisternde Herausforderung.
Ob die USA mit Trumps Vorstoß die arabischen Staaten aufrütteln wollte: „Das ist es, was euch erwartet, wenn ihr nicht aufwacht und einen praktischen Weg für ein Vorgehen im Gazastreifen vorschlagt, uns nicht helft, die Hamas von der Herrschaft zu entfernen“, wie der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Barak sich am 6. Februar 2025 in der Jüdischen Allgemeinen äußerte, bleibt Spekulation. Ebenso ist unklar, ob die kursorisch dargelegten möglichen Entwicklungen eintreten werden, sie scheinen aber zumindest denkbar. Die Einbeziehung möglicher Konsequenzen infolge des vorgestellten Plans für den Gaza-Streifen sollte von der US-Administration verlangt werden können. Ein Rückzug Trumps von der verlautbarten Position würde darüber hinaus die Autorität der USA in Nahost infrage stellen und damit deren Schutz für Israel.
Dr. Stefan Braun, Studium Politologie, Germanistik und Judaistik in Heidelberg bei Prof. Klaus v. Beyme und Prof. Michael Grätz. Promotion in Chemnitz bei dem Extremismusforscher Prof. Eckhard Jesse. Tätigkeit beim Landesamt für Verfassungsschutz Berlin, bei einer Politikberatungsagentur in Berlin und an der Universität zu Lübeck als Lobbyist.