Counterintelligence

Der Spiegel berichtete am 29. November 2024 von einer „Gefährdungsanalyse“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in der vor den Störungen und Beeinflussungskampagnen ausländischer Geheimdienste angesichts der Bundestagswahl 2025 gewarnt werden würde.  Eine Gefährdungsanalyse ist sinnvoll und notwendig und die angedeuteten Gefahren sind real und nicht herbeifabuliert. Im Laufe der Jahre machten sich in Deutschland einige Leute Gedanken darüber,  wer wohl hinter was stecken mag, so zum Beispiel 1988 in der damaligen DDR:

Übrigens ist es interessant zu sehen, welche Personen, die auch dieser politischen Ecke entstammen, nach dem Zusammenbruch eben jenes von ihnen geliebten Systems sich weiter über Beeinflussung und Zersetzung Gedanken machen – um schließlich heute dort angekommen zu sein, um eventuell selbst eine gewisse Form der Zersetzung fortzuführen. Dieses Machwerk stammt aus dem Jahre 1995:

Nun gut, das ist lange her, vergeben und vergessen.

Es gibt auch aktuelle, wirklich gute Gefährdungsanalysen, die beispielsweise 2020 den Modus Operandi gewisser Akteure untersuchten. Eine andere informative Analyse aus dem Jahre 2023 ist “Foreign Electoral Interference Affecting EU Democratic Processes“.

Da sich auch andere Medien auf die erwähnte Analyse des BfV bezogen und sie daher überall verlinkt worden war, folgte ich neugierig diesem Hinweis.

Leider gelangte ich nur an das Deckblatt und Vorwort dieser Analyse. Es kann selbstverständlich sein, dass ich etwas übersehen habe, aber das, was ich unter dem Titel “Gefährdung der Bundestagswahl durch unzulässige ausländische Einflussnahme” vorfand und weiter vorfinde, ergeben ausgedruckt gerade einmal schlappe vier Seiten – lässt man die großen Bilder und Zwischenüberschriften weg. Das ist merkwürdig, denn dies kann nicht die Analyse sein, da muss ein Irrtum vorliegen oder aber ich bin blind. Verschiedene Aussagen dieser paar Zeilen können auch nur im Rahmen eines raschen Brainstormings zustande gekommen sein. Vermutlich sollen sie eine Diskussion anstoßen, die dann innerhalb der – laut BfV – gegründeten Taskforce Grundstein für eine umfassende Analyse darstellt, die dem wichtigen Thema gerecht wird! Wie kann man sonst einzelne Formulierungen und Behauptungen erklären?

Ich lese beispielsweise von der “Gefährdung der Bundestagswahl durch unzulässige ausländische Einflussnahme” und “illegitime Einflussaktivitäten” seien “klassische Betätigungsfelder ausländischer Nachrichtendienste.”

Gibt es denn auch eine zulässige ausländische Einflussnahme? Und was sind legitime Einflussaktivitäten?

Auch diese These halte ich für gewagt bzw. falsch: “Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Russland das wohl größte und naheliegendste Interesse, die Wahl im eigenen Sinne zu beeinflussen.” Man kann ohne weiteres behaupten: Nein, die Ukraine hat mindestens ein ähnliches Interesse daran! Das ist schlichtweg die sogenannte Realpolitk, nach der alle Akteure ihre Ziele verfolgen. Und wer außer der Ukraine sollte nicht ein sehr großes Interesse daran haben, eine Bundesregierung in Deutschland als Partner zu bekommen, welche sie in ihrem Kampf gegen die russischen Invasoren weiter unterstützt?!

Möglicherweise hat der ukrainische Botschafter in Berlin bei den folgenden Zeilen aus jener BfV-Analyse an ein bilaterales Telefonat von Scholz und Putin gedacht: “Aber auch auf anderen Wegen kann illegitimer Einfluss auf den politischen Raum genommen werden – über bilaterale Gesprächskanäle […].” Aber das ist natürlich reine Spekulation.

Mit anderen Worten: Ich finde es gut, dass das BfV mit seinen wenigen Sätzen für Diskussion sorgt und ich freue mich auf die baldige Publikation einer ansprechenden und aussagekräftigen Analyse der  eigens eingerichteten Taskforce – möglichst noch vor der Bundestagswahl 2025!